Eigentlich wollte ich an dem Tag gar nicht aufstehen.
Eigentlich war ich total k.O. von der Woche.
Eigentlich war das Bett so kuschelig und die Decke lag so schwer auf mir.

Bsss bsss. Eine Nachricht. “Ich habe heute morgen einen alten Kollegen von mir getroffen. Soll ich mal fragen, ob der beim Schlepperballett mitfährt und dich mitnehmen würde?”

Lass mich kurz überlegen. Nein, ich brauche nicht zu überlegen. “Ja.” Ich könnte auch sagen “Da fragst du noch??”

Ein Anruf und alles ist geregelt. Das war leicht. Ich kann mein Glück kaum fassen. Es ist ein sonniger Tag.
Als ich beim Schlepper eintreffe, ist der Kapitän noch nicht da. Maschinist und Matrose nehmen mich freundlich in Empfang und schnacken mit mir über jenes und welches. Auf den anderen Schleppern tümmeln sich schon die Gäste und auf dem Ponton wird noch ein Fernsehbeitrag gedreht. Der Kapitän und zwei seiner Freunde kommen mit an Bord und dann geht es auch schon los. Die Herren verstehen mehr von Schleppern und Maschinen als ich. Ich mache es mir also draußen auf einer Kiste bequem statt auf der Brücke rumzustehen wie Falschgeld.

Die Schlepperkapitäne halten das Schlepperballett für überflüssig. Den ein oder anderen Kommentar bekomme ich mit. Früher, da haben sie solche Wellen gemacht, dass die ersten Reihen an den Landungsbrücken bis zum Knie nass wurden. Heute ist das als zu gefährlich eingestuft. Alles, was früher Spaß gemacht hat, ist verboten. Während des Übens merkt man aber dann schon, dass auch die Kapitäne ihren Spaß haben. Hafengeburtstag bedeutet für sie mehr Arbeit als sonst und das bedeutet auch weniger Schlaf. Ich hätte auch keine Lust meine Ruhe und meinen Schlaf für ein paar tausend Schaulustige zu opfern.

In meiner Hamburgzeit war beim Hafengeburtstag immer schlechtes Wetter. Außerdem habe ich mich immer für das Feuerwerk entschieden und nicht mitbekommen, was für ein wichtiger Programmpunkt das Schlepperballett eigentlich ist. Meine Faszination für Schlepper wurde auch erst nach dem letzten Hafengeburtstag geweckt. So sitze ich nun nichts ahnend auf meiner Kiste. Die beiden anderen Herren setzen sich dazu und wir fahren dem Wasser spritzenden Feuerwehrschiff hinterher und werden erstmal ordentlich nass. An den Landungsbrücken erwartet mich dann das Panorama der Menschenmassen wie im Bild oben. Wow. Und ich darf auf dem Schlepper sitzen. Ich lasse mein Handy so viel wie möglich in der Tasche, um den Moment ungestört genießen zu können. Ein paar Fotos muss ich dann aber doch machen. Meinen Eltern sage ich, dass sie mal den Fernseher einschalten sollen, denn an den gut sichtbaren Fernsehkameras fahren wir mehrfach vorbei. Es ist ein traumhaftes Erlebnis.
Mit lautem Getute ist das Schlepperballett vorbei und wir fahren wieder zum Anlieger.

Aus dem Fernsehbeitrag erfahre ich dann am nächsten Tag, dass die wenigen Gäste an Bord Freunde der Reederei sind. Jaaa, natürlich, denke ich mir und zähle mich einfach mal dazu. Mich fasziniert der kurze Dienstweg. Das Vitamin B. Im sozialen Bereich gibt es das fast gar nicht. In der Schifffahrt scheint darüber alles zu laufen.

Den Rest des Tages gehe ich wie auf Wolken. Der Mann, der mir einen Schal verkauft – denn nun ist es doch etwas kühler geworden – lädt mich ein bei Gelegenheit bei ihm im Café vorbeizuschauen. Die HVV-Sicherheitsleute machen große Augen, dass ich mich bei ihnen für ihren Dienst bedanke und mich etwas sicherer fühle, wenn sie abends spät im Waggon bis nach Wedel mitfahren. Da ich eine knappe Stunde auf meine Begleitung zum Feuerwerk warten muss, komme ich gut mit diesen Leuten ins Gespräch. Ein “danke” scheinen sie nicht oft zu hören.

Der Abend klingt mit schönem Feuerwerk, einem Gang über die Tanzfläche im Hamam und einem extrem witzigen Essen beim Inder aus. “Alles lecker lecker?” fragt der Kellner und wir liegen vor Lachen fast unterm Tisch.

Es war einer der besseren, erinnerungswerteren Tage in meinem Leben. Zum Glück bin ich doch aufgestanden.

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