Der Hafengeburtstag 2019 steht vor der Tür.

Nach der genialen Erfahrung beim Schlepperballett 2018 möchte ich unbedingt wieder mitfahren. Der Kontakt zu der Schlüsselperson ist eingeschlafen und ich sitze eine ganze Woche lang deprimiert zu Hause, weil mir keine Lösung einfällt, wie ich ohne Vitamin B auf einen Schlepper kommen kann.

Irgendwann in der Woche habe ich ein längeres Gespräch mit einem befreundeten Pastor. Es geht um die großen Veränderungen, die gerade in meinem Leben passieren, und um die eigene Einstellung. Er sagt, dass wenn man in eine Situation hineingeht, in der man Zurückweisung erwartet, das auch genau so geschehen wird. Das sitzt.

Ich beschließe, einfach zu fragen.

Nach der Einlaufparade mache ich mich auf den Weg zur Schlepperbrücke. Ich weiß ja noch, wie ich reinkomme, wo das Büro ist und was ich will. Vor allem gehe ich aber mit der Einstellung “wer nicht fragt, kann nichts gewinnen” und “es gibt keinen Grund, warum sie auf eine freundliche Bitte hin ‘nein’ sagen sollten”. Ein bisschen schlackern die Knie aber doch, als ich beim Einteiler ins Büro stolpere. “Hallo, ich bin Maria” sage ich zu dem tätowierten, glatzköpfigen, stattlichen Mann, der hinter seinem Computer sitzt. “Hallo Maria, ich bin Jens.” Er mustert mich neugierig. Lächeln. Keine Unsicherheit anmerken lassen. “Ich wollte fragen, ob es die Möglichkeit gibt morgen beim Schlepperballett mitzufahren.” Jetzt ist er baff. Er lehnt sich zurück in seinen Bürostuhl und sortiert erstmal seine Worte. Ich erwarte alles: dass er mich fragt, wie ich überhaupt reingekommen bin, wie ich auf so eine absurde Idee komme und dass ich zusehen soll, dass ich Land gewinne. Ich weiß ja aus dem Fernsehbeitrag vom letzten Jahr, dass die wenigen Gäste an Bord Freunde der Reederei sind – und dazu zähle ich nun eher nicht. “Verstehe ich das jetzt richtig – da kommt einfach so ein Mädel daher und fragt, ob sie mitfahren darf?!” Ich zögere. “Im Prinzip schon” antworte ich mit einem verschmitzten Lächeln. Geschafft. Die Stimmung lockert sich, ich erzähle, dass ich Schlepperfahren toll finde und er muss leider zugeben, dass er das nicht entscheiden kann. Jedoch gibt er mir den Tipp, dass ich am nächsten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit mit der Person sprechen könnte, die das entscheiden kann. Er selbst meint, wenn jemand so frech daherkommt und einfach fragt, das ja eigentlich belohnt werden müsste.
Beim Gehen stolpere ich noch über den Teppich im Flur und nehme ihn fast mit.
Puh, ein Schritt weiter.

Am nächsten Morgen bin ich schon ganz aufgeregt. Immer wieder mache ich mir selbst Mut: erwarte positive Antwort, Frechheit wird belohnt.

Ein wenig vor der besagten Zeit bin ich am besagten Ort. Bislang ist niemand zu sehen. Ich gehe Jens hallo sagen, der sich schon freut mich zu sehen. Ich muss etwas länger auf die entscheidende Person warten. Währenddessen kommen Jens und ich ins Gespräch und er gibt mir ein paar Tipps, was ich sagen soll.

Endlich ist die entscheidende Person da. Ich stelle mich freundlich vor. Mein Lächeln weicht dieses Herz aber nicht. Also befolge ich die Tipps, die Jens mir gegeben hat und lasse mich auch von den flapsigen Fragen und der mitschwingenden Überheblichkeit nicht einschüchtern. Direkt sein kann ich. Mutig sein muss ich in dem Moment eher vortäuschen. “Ja, das kriegen wir schon irgendwie hin” lautet schließlich die Antwort. Geschafft. Geschafft? GESCHAFFT!!!!!! Ich drehe mich um und gehe wieder auf Jens zu, der die Szene von Weitem mit angesehen hat. “Wenn du keine Ohren hättest, würdest du jetzt im Kreis grinsen” ruft er mir zu. Recht hat er.

Was für eine Lektion für mich! Fragen! Und dann auch noch bekommen, was ich will!

Ein wenig Zeit habe ich noch, also beschließe ich in den Bus einzusteigen und noch eine Kleinigkeit essen zu gehen. Während ich warte, signalisiert der Busfahrer aus der Gegenrichtung mir, dass ihm heiß ist. Sein Bus ist rappeldickevoll. Ich werfe ihm einen mitleidigen Blick zu. Daraufhin macht er sein Fenster auf und ruft mir zu, dass er gleich zurückkommt. Das hatte ich quasi schon erwartet. Als mein Bus kommt, sitzt ein anderer Fahrer am Steuer, aber das soll mir ja egal sein. Überraschenderweise nimmt mich der erste Busfahrer in Empfang, als ich in Altona aus dem Bus aussteige. Seltsam. Er erzählt ein wenig, dass ja aufgrund des Hafengeburtstags so viel los sei und er nun eine Leerfahrt hatte und ob ich Lust hätte kurz was trinken zu gehen. Ähm… nein. Ich lehne dankend ab.

Endlich ist es dann Zeit fürs Schlepperballett. Mein Begleiter ist pünktlich wie immer und Jens sagt uns, auf welchem Schlepper der netteste Kapitän ist. Wir gehen also an Bord und tun so als würden wir dazugehören. Von einigen der anderen Gäste werden wir herzlich empfangen. Ein paar andere mustern uns argwöhnisch…

Als wir losfahren, stehen alle irgendwo an Deck. Alle sind begeistert. Schließlich haben die wenigsten von uns die Möglichkeit regelmäßig auf einem Schlepper mitzufahren. Eine der Mitfahrenden sieht ein kleineres Segelboot neben uns und sagt “Guck mal, die machen eine Laola-Welle!” Wir gucken. Ich grinse schon mal innerlich. Jemand anders macht sie dann darauf aufmerksam, dass die Leute an Deck des Segelboots dabei sind, die Segel zu hissen…
Irgendwann haben einige der anderen Geschirrtücher in der Hand. Wie ich später herausfinde, war das wohl die Idee des Kapitäns selbst. Wir als Gäste sollen damit nicht nur winken, sondern die Zuschauer an Land dazu animieren, eine Laola-Welle zu machen.
Das Schlepperballett ist dieses Mal vom Wiegen der Schlepper im Wasser dominiert. Das Schunkeln zur Musik trainiert die Bauchmuskeln, wie ich am nächsten Tag merke. Sich so durchschütteln zu lassen, macht großen Spaß. Die Menge an Land versteht das mit der Laola-Welle leider irgendwie nicht. Ich bin SO froh, dass ich nicht irgendwo in dem Gedränge stehen muss, sondern mitten im Geschehen sein darf.

Wieder am Anleger frage ich das mir bekannte Gesicht aus dem letzten Jahr, ob er eine wichtige Person in der Reederei sei. Es ist der Datenschutzbeauftragte. Am Tag darauf schaue ich auf die Webseite der Reederei. Einen der Männer, die uns so gemustert haben, finde ich weit oben im Organigramm. Der freundliche Herr mit der Kamera, der die ganze Zeit während der Fahrt den Clown gemacht hat, stellt sich als Top-Fotograf heraus.
Zum Glück hatte ich keine Ahnung, welche wichtigen Positionen die Leute um mich herum waren. Wer zur See fährt, duzt sich gegenseitig. Naja, und als ich den Kapitän gefragt hatte, ob hier “hohe Tiere” aus der Reederei mit an Bord seien, bekam ich zur Antwort: “Weiß ich doch nicht. Und wenn doch, ist mir das auch egal.”
Ich mag die flapsige Art der rauen Kerle in der Schifffahrt.

Zum Schluss noch ein RIESIGES DANKESCHÖN an die Reederei!!! Das war wirklich ein unvergessliches Erlebnis!

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